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Jahresbilanz der Mobilen Opferberatung 2020
Statisititsche Übersicht zu den rechten Gewalltaten 2020 in Sachsen-Anhalt

DATUM

Statisititsche Übersicht zu den rechten Gewalltaten 2020 in Sachsen-AnhaltUnsere Mobile Opferberatung hat heute in Kooperation mit der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten Region Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg ihre Jahresbilanz zu rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Sachsen-Anhalt 2020 vorgelegt. Die beiden Beratungsprojekte haben im letzten Jahr 155 politisch rechts motivierte Gewalttaten mit mindestens 219 direkt Betroffenen registriert. Darunter fällt auch ein versuchter rassistischer Mord an einem 21-jährigen Geflüchteten in Halle (Saale), bei dem die Strafverfolgung von Verharmlosung und Untätigkeit geprägt war. Insgesamt hat sich die Anzahl der bekannt gewordenen rechts, rassistisch und antisemitisch motivierten Angriffe im Vergleich zum Vorjahr – trotz Social Distancing während der Corona-Pandemie – sogar erhöht (2019: 153). Zentrale Motive waren bei den rechten Gewalttaten Rassismus und Hass auf politische Gegner*innen. Insbesondere die Bewegung der Corona-Leugner*innen wirkte als Katalysator für antisemitische Verschwörungserzählungen, Shoa-Relativierung und rechte Gewalt.

Wie bereits in den Vorjahren war der überwiegend Teil der Angriffe (106) rassistisch motiviert. Unten den 155 davon direkt betroffenen Menschen waren auch 35 Kinder und Jugendliche. Zudem war mit 30 Angriffen und 48 direkt Betroffenen ein leichter Anstieg rechter Gewalt gegen politische Gegner*innen zu verzeichnen (2020: 19 Prozent; 2019: 16 Prozent). Jede vierte dieser Taten wurde im Zusammenhang mit politischen Aktionen von Coronaleugner*innen dokumentiert, nämlich 8 Angriffe mit 15 direkt Betroffenen. Daneben war ein deutlicher Anstieg bei antisemitisch motivierten Angriffen zu verzeichnen. So stand Antisemitismus mit 9 Angriffen und 10 direkt Betroffenen bei den Tatmotiven in 2020 an dritter Stelle (2019: 2 mit 52 Betroffenen, davon 51 bei dem rechtsterroristischen Anschlag von Halle).

Für 2020 wurden ein versuchter Mord, 124 Körperverletzungen, fünf Brandstiftungen und eine Freiheitsberaubung als politisch rechts motivierte Gewalt dokumentiert. Darüber hinaus wurden aufgrund der massiven psychischen und/oder sozialen Folgen für die Betroffenen 22 Nötigungen bzw. Bedrohungen sowie zwei Sachbeschädigungen in die unabhängige Statistik politisch rechts motivierter Gewalt 2020 in Sachsen-Anhalt aufgenommen. Obwohl 121 von den insgesamt von der Mobilen Opferberatung dokumentierten 155 Angriffen sowohl polizeibekannt sind als auch nach den Kriterien der Sicherheitsbehörden als Gewalttaten zählen, gab das Innenministerium Sachsen-Anhalts Ende März 2021 lediglich 85 politisch rechts motivierte Gewalttaten bekannt.

„Das Ausmaß rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Sachsen-Anhalt ist – im Jahr nach dem rechtsterroristischen Anschlag vom 9. Oktober 2019 in Halle (Saale) – nach wie vor dramatisch“, resümiert eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Auch in 2020 wurden mindestens aller zwei bis drei Tage Menschen angegriffen und zum Teil erheblich verletzt, weil sie von den Täter*innen als nicht zugehörig, minderwertig oder als politische Gegner*innen angesehen wurden.“ Damit einher geht die Angst potenziell Betroffener, jederzeit selbst zum Ziel rassistischer, antisemitischer, LSBTIQ-feindlicher und rechter Gewalt zu werden. Ohnmacht, Trauer und Wut nach den Mordanschlägen von Halle 2019 und Hanau 2020 – auch angesichts nicht eingelöster Versprechungen aus Politik, Verharmlosung und Untätigkeit von Strafverfolgungsbehörden oder der zunehmenden Gefahren durch die Bewegung der Corona-Leugner*innen – sitzen tief. „Die Perspektiven und Forderungen von Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ernst zu nehmen und umzusetzen bleibt eine zentrale Aufgabe auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen“, konstatiert die Sprecherin.

Weitere Informationen, ausführliche Statistiken und ein Hintergrundpapier zur Jahresstatistik 2020 finden sich auf der Homepage der Mobilen Opferberatung.