Seit vielen Jahren findet in Magdeburg vom 16. bis zum 27. Januar die Aktionswoche „Eine Stadt für alle“ statt. Zivilgesellschaft und städtische Institutionen präsentieren hier mit vielfältigen Veranstaltungen ihr Engagement. Anlässlich des Gedenktags an die Bombardierung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg erinnern sie an die historischen Kontexte und treten für eine friedliche und solidarische Welt ein. Aber auch die extreme Rechte mobilisiert anlässlich des Gedenkens nach Magdeburg. Zu den Hintergründen haben wir ein FAQ erarbeitet.
Warum ist der 16. Januar ein zentraler Gedenktag für Magdeburg?
Die weitgehende Zerstörung Magdeburgs im Luftkrieg war das einschneidende Ereignis der jüngeren Stadtgeschichte. Allein bei den Angriffen am 16. Januar 1945 kamen mehr als 2.000 Menschen ums Leben, fast die gesamte Innenstadt wurde zerstört. Die Spuren der Zerstörung sind bis heute noch sichtbar. Auch nach 80 Jahren ist der 16. Januar in Magdeburg ein zentraler Tag der Erinnerung an die Schrecken des modernen Krieges – im Sinne einer öffentlichen historischen Rückbesinnung zugunsten eines friedlichen Miteinanders. Das Gedenken wird seitens der städtischen Verwaltung, der Politik und der Zivilgesellschaft gestaltet und ist andererseits auch für die extreme Rechte ein wichtiger Bezugspunkt.
Warum mobilisiert die extreme Rechte zum Gedenken an den 16. Januar?
Seit 2001 nutzen Neonazis den Jahrestag der Bombardierung für Kundgebungen, „Trauermärsche“ und Wortbeiträge. Dabei nehmen rechtsextreme Akteure für sich in Anspruch, ein Gedenken an die Opfer der Bombardierung zu repräsentieren, welches „jenseits von Anpassung an den Zeitgeist ein Zeugnis der Leiden der Deutschen gibt.“ So werden historische Ereignisse im Rahmen rechtsextremer Kampagnen jenseits von erforschten Fakten zu Zerrbildern der nationalen Geschichte verklärt, welche den Nationalsozialismus – je nach Ausrichtung – zu bagatellisieren oder sogar zu rehabilitieren versuchen.
In neonazistischer Deutung erscheint die NS-Zeit als ein im Kern tugendhafter und ehrenvoller Zeitabschnitt – insbesondere mit Blick auf die Kriegsführung – welchen die Sieger des Zweiten Weltkrieges aus Gründen der Herrschaftssicherung und der mentalen Umerziehung der Deutschen zu diskreditieren suchten. Für heutige Neonazis und andere rechtsextreme Akteure bis hin zur AfD ist ein Gedenken an die Bombardierung Magdeburgs, in dem der deutschen Seite allein die Rolle des Opfers zukommt, ein wichtiger Aspekt ihres politischen Selbstverständnisses. Geschichtsklitterung und Verklärung von rechts stehen einer demokratischen, differenzierenden Erinnerungskultur grundsätzlich entgegen.
Was ist von der extremen Rechten anlässlich des Gedenkens zu erwarten?
Wie auch in den Vorjahren werden sich rechtsextremer Akteure am lokalpolitischen Erinnerungsdiskurs und an den öffentlichen Gedenkaktivitäten – wie der Kranzniederlegung auf dem Westfriedhof – beteiligen. Zu erwarten ist auch eine Mahnwache am Abend des 16. Januars am Westportal des Doms. Möglich sind zudem Banner-Aktionen an Straßenbrücken. Darüber hinaus hat die neonazistische Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD) für den 18. Januar 2025 in der Innenstadt – möglicherweise auf dem Alten Markt – eine Kundgebung aus Anlass des Jahrestages der Bombardierung angemeldet.
Mit wie vielen Teilnehmenden ist bei den rechtsextremen Aktionen zu rechnen?
Geschichtspolitische Aufmärsche hatten seit 2014 deutlich an Attraktivität für die extreme Rechte verloren. Dies lag nicht zuletzt auch an der zivilgesellschaftlichen Gegenwehr. Geschichtspolitik ist allerdings weiterhin eines der Kernthemen der extremen Rechten – bis hin zur AfD – geblieben. Im Schatten rechtspopulistischer Mobilisierungserfolge der letzten Jahre hatte es so bereits in den letzten Jahren wieder Aufmärsche und Kundgebungen mit bis zu 150 Neonazis gegeben. Mobilisiert wird mittlerweile fast ausschließlich regional. Bleibt es dabei, werden sich wohl weniger als 200 Personen versammeln.
Wie wird den Aktivitäten der extremen Rechten begegnet?
Auch 2025 organisiert die Initiative Weltoffenes Magdeburg vom 16. bis zum 27. Januar 2025 die Aktionswoche „Eine Stadt für alle“. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen sowie städtische Institution präsentieren hier mit vielfältigen Veranstaltungen ihr Engagement für ein demokratisches, weltoffenes und solidarisches Magdeburg. Dabei geht es auch um erinnerungspolitische Impulse und die Auseinandersetzung mit dem rechtsextremen Geschichtsrevisionismus. Zudem hat das Bündnis Solidarisches Magdeburg am 18. Januar zu einem Aktionstag als Protest gegen den Rechtsruck mit verschiedenen Kundgebungen im Stadtgebiet aufgerufen. Ziel beider Bündnisse ist es, an den Tagen rechtsextremer Mobilisierungen mit eigenen Aktivitäten den öffentlichen Raum zu besetzen.
Wo gibt es Anlaufpunkte für den zivilgesellschaftlichen Protest?
Sowohl am 16. Januar als auch am 18. Januar finden im Stadtgebiet Mahnwachen, Kundgebungen und Stadtspaziergänge statt. Informationen und Übersichten finden sich hierzu auf der Programmseite der Aktionswoche „Eine Stadt für alle“ und der Homepage vom Bündnis Solidarisches Magdeburg sowie deren Instagram-Accounts @initiativeweltoffenesmagdeburg und @solidarischesmagdeburg.
Wo finden sich weitere Informationen zu den Hintergründen der Auseinandersetzungen um das Gedenken an die Opfer des Luftkriegs in Magdeburg?
Der Aufsatz „Der Krieg war in sein Ausgangsland zurückgekehrt. Der 16. Januar als zentraler Gedenktag Magdeburgs“ (2020) widmet sich der Geschichte des Gedenkens an die Opfer des Luftkriegs seit 1945. Die Broschüre „Magdeburg im Januar“ (2016) beleuchtet die Proteste gegen die Naziaufmärsche in Magdeburg. Und das Impulspapier „Trauermarsch und Feuerschein“ (2013) geht auf die neonazistischen Inszenierungen anlässlich der Erinnerung an den 16. Januar 1945 ein.